1. Das 100-Leute-Prinzip
Nehmen wir an, 100 grundverschiedene Leute stranden durch einen Zu- oder Unfall auf einer fremden, einsamen Insel. Sie sind verschieden nach Geschlecht, Alter, körperlichen und geistigen Fähigkeiten usw., und sie können sich zunächst auch nur ansatzweise miteinander verständigen. Wie würden diese Leute ihr Überleben am Besten(!) sichern?
Vielleicht, indem sie jeder für sich oder in kleinen Gruppen mit- oder vielmehr gegeneinander konkurrieren? Wohl kaum – denn dabei würden viele Ressourcen und Informationen vergeudet, und es gäbe unnötig viel Leid und Tod.
Sie würden also besser miteinander kooperieren, sprich: zusammenarbeiten. Wie aber würden sie diese Kooperation optimal organisieren?
Nehmen wir einmal (unrealistischerweise) an, es wäre eine(r) darunter, der sowohl am Intelligentesten als auch am Selbstlosesten wäre – würden und sollten sie diesen vielleicht zur/zum Anführer(in)* wählen? Eine naheliegend erscheinende Lösung – aber was wäre, wenn dieser „ideale Anführer“* in einem bestimmten Fall eine falsche Entscheidung fällen würde, die für die `gesamte Gemeinschaft negative Konsequenzen hätte? Hätte er* psychologisch überhaupt die Möglichkeit, diesen Fehler einzusehen und zu revidieren, oder müsste er nicht erstens allzu lange davon ausgehen, dass gar kein Fehler vorläge (da ihm selbst die negativen Konsequenzen vielleicht erst spät bewusst werden), und zweitens selbst dann noch hoffen, dass sich seine einmal getroffene Entscheidung doch noch als richtig erweise, und insofern noch länger daran festhalten?
Nun, es darf vermutet werden, dass sich eine bessere Basis für optimale Zusammenarbeit ergäbe, wenn die 100 Leute zu jeder sie alle betreffenden Entscheidung zunächst alle verfügbaren Informationen und Standpunkte zusammentragen, diese dann in einer ausgiebigen Diskussion gegeneinander abwägen und am Ende eine mehrheitliche Entscheidung fällen würden. Die Stimmen der oben erwähnten selbstlosen und weitsichtigen „idealen Anführer“ hätten in einer solchen Diskussion naturgemäß (durch ihre „natürliche“ bzw. vielmehr aus Erfahrungswerten gewonnene Autorität) mehr Gewicht (bzw. Überzeugungskraft); in der schlussendlichen (oder vielmehr immer nur vorläufigen, da stets bei Bedarf revidierbaren) Abstimmung dagegen hätten sie nur eine Stimme wie alle Anderen auch.
Denn es steht ja außer Frage, dass selbst die „Dümmsten“ über Informationen verfügen (und sei es nur über sie selbst), die Andere nicht haben (können), und dass auch die Egoistischsten einsehen müssen, dass ihr eigenes maximales Wohlergehen nicht gegen, sondern nur mit der Gemeinschaft erreichbar ist. Und da bei einer Vielzahl von Mehrheitsentscheidungen jeder selber in der Mehrheit der Fälle zur Mehrheit gehören würde, könnte und bräuchte sich auch niemand unterdrückt fühlen.
Es ist wohl leicht einzusehen, dass eine solche einsame und immer noch etwas fremde und unverstandene Insel mit ihren begrenzten Ressourcen unsere Welt ist, und die dort Gestrandeten sind wir alle.
2. Das Problem der großen Zahlen
Natürlich lässt sich schon mit „nur“ 100 Leuten schwer eine sinnvolle Debatte organisieren; wie sollte dies dann mit sieben oder mehr Milliarden Menschen gelingen, die zudem (trotz weitgehend gleicher oder vergleichbarer Grundbedürfnisse) kaum eine gemeinsame Sprache sprechen?
Vor 100 und vielleicht sogar auch noch vor 20 Jahren wäre dies technisch wohl unmöglich gewesen. Heute haben wir allerdings (mit dem Internet und all den Möglichkeiten des sogenannten „Web 2.0“) Techniken zur Hand (und zum Kopfe), die es uns ermöglichen, Informationsaustausch, Meinungsaustausch (Diskussionen) und Entscheidungsprozesse quasi „in Echtzeit“ zu führen – es fehlt bislang nur am politischen Willen, diese auch entsprechend ein- und durchzusetzen.
3. Die Ungleichverteilung der Macht
Es wird wohl niemand bestreiten können (auch wenn es manche wollen und auch tun), dass die Macht (und Geld ist natürlich nur ein Äquivalent, ein abstrakter oder auch allzu konkreter Ausdruck von Macht) auf unserer Welt extrem ungleich (und somit ungerecht) verteilt ist – wobei die Mehrheit der Leute (und „Länder“) weniger haben als der Durchschnitt und eine kleine Minderheit (vielleicht ein oder sogar zehn Prozent) sehr viel mehr; nennen wir Erstere der Einfachheit halber die Armen (und relativ Ohnmächtigeren), Letztere die Reichen (und Mächtigen).
Natürlich(?) oder vielmehr der Erfahrung nach tun die Reichen bekanntlich (fast) alles dafür, ihre Privilegien zu schützen, zu erhalten und sogar noch auszubauen, und schrecken dabei weder vor Lüge (Desinformation, Manipulation, Propaganda) noch Gewalt (Unterdrückung, Folter, Krieg) zurück. Dies geschieht sicherlich teilweise unbewusst, instinktiv, aus Angst vor der Rache der bislang unterdrückten und übervorteilten Mehrheit. Versetzen wir uns (und dies sollte uns als Bewohner eines „reichen Landes“ nicht schwerfallen) in die Lage eines solchen (durch Glück, Geschick oder Erbschaft) Begüterten; auch wir hätten sicherlich Angst, in Armut abzusinken, vor allem aber, dass uns unser Besitz gewaltsam abgenommen werden könnte. Wenn wir nun aber die Wahl hätten, durch Abgabe von Macht und Geld an Sicherheit hinzuzugewinnen und endlich wieder „ruhig schlafen“ zu können, vielleicht sogar endlich das Gefühl kennenlernen zu dürfen, anderen Menschen (die auch endlich alle ausreichend Nahrung, Kleidung, Wohnung, Heizung hätten) von gleich zu gleich in die Augen schauen zu können – wäre dies nicht der viel größere Gewinn?
Dies mag romantisch und in vielerlei Hinsicht unrealistisch sein, und voraussichtlich wird die privilegierte Minderheit kaum freiwillig auf ihre Vorteile verzichten. Wie ließe sich dann aber diese so notwendige und überfällige Um- und Gleichverteilung von Macht und Geld erreichen? Wohl kaum durch eine „Revolution“ im klassischen Sinne, da eine solche – im unrealistischen Erfolgsfalle – ja doch nur wieder neue Macht-„Eliten“ hervorbringen würde.
4. Die Meta-Petition
Es existieren ja bereits weltweit vielerlei „demokratische“ Institutionen, angefangen bei der UNO über Parlamente bis hin zu Kommunalräten, in denen ein vernunftgeleiteter Interessenausgleich theoretisch möglich wäre (auch wenn diese Organisationen zur Zeit der Verschleierung und Durchsetzung der Interessen der übermächtigen Minderheit dienen). Machen wir (als unterdrückte und somit an fundamentaler Veränderung zuförderst interessierte Mehrheit) uns diese doch zunutze – etwa mit Forderungen wie dieser:
Petition an den Deutschen Bundestag - Weiterentwicklung der Demokratie
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* Aus Gründen der Lesbarkeit und Ökonomie und trotz den Ungerechtigkeiten der patriarchalisch durchtränkten deutschen Grammatik stehen ab jetzt nur noch die maskulinen Formen für beide Geschlechter.
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